Ändere etwas, bevor es dich verändert.

Hey, du Wunder!

Hier war es länger ruhig auf meinem Blog und das hat einen Grund:

Dieses Frühjahr verstarb ganz plötzlich ein Familienmitglied. Und obwohl sich die Welt einfach weiterdreht, ist seitdem so viel anders.

Leben ist Veränderung. Veränderung ist anpassen. Doch die Konfrontation mit dem Ende des Lebens und dessen Auswirkungen ist für mich persönlich eine ganz andere Hausnummer.

Es macht so viele Themen auf, die vorher fein unter Verschluss waren:

  • Trauer – die der direkten Angehörigen und meine eigene
  • Angst davor, plötzlich weitere Herzensmenschen verlieren zu können
  • Da-sein für die direkt Betroffenen
  • Der räumliche Abstand, der einfach existiert, da ich nicht mehr in meiner Heimat lebe
  • Absicherung der Angehörigen, wie gehts jetzt weiter?

Und das alles in einer Phase, in der man „einfach nur“ die Phasen der Trauer durchleben „will“.

Warum das Auseinandersetzen mit dem Tod dich immer mit dem Leben konfrontiert.

Der Tod ist ein verrücktes Konzept. Wir alle haben ihn vor uns liegen. Wir wissen nicht, wann er eintreten wird. Doch schaut man sich in der Gesellschaft um, wirkt es nicht, als wäre es allen bewusst.

Natürlich ist es sinnvoll, nicht den ganzen Tag panisch vorm Tod durch die Gegend zu rennen. Aber sich ab und zu bewusst machen, dass man selbst und auch jede*r andere jederzeit einfach so „verschwinden“ kann – das ändert in so vielen Momenten einfach alles.

Was ist wirklich wichtig in einem Streit, wenn du dir bewusst machst, dass morgen alles anders sein kann? Macht dein Rechthaben wollen Sinn, wenn das vielleicht das letzte Gespräch ist?

Wem würdest du heute noch schnell welche Botschaft mitteilen, wenn du wüsstest, du siehst die Person nicht wieder?

Was würdest du heute noch erledigen wollen, wenn du wüsstest, du bist selbst morgen nicht mehr da?

Aus meiner Sicht sind das einige der existentiellsten Fragen, die wir uns überhaupt stellen können. Deren ehrliche und tiefe Beantwortung ist herausfordernd und kostet Kraft, bewegt aber sehr viel.

ändere etwas, bevor es dich verändert.

Warum erzähle ich dir das alles?

Ich möchte etwas ausholen: Ich habe 2016 anja bewegt gegründet und der erste Satz, der überall auftauchte, war: ändere etwas, bevor es dich verändert.

Das hat einen Grund: ich bin 2015 an einer Depression erkrankt und habe mir für mein eigenes Business geschworen, dass ich Menschen dabei unterstützen möchte, dass ihnen das erspart bleibt.

Ich habe in Therapie, diversen Coaching Ausbildungen, Büchern, Podcasts und wo’s die Infos sonst noch gibt nach Frühwarnmöglichkeiten, ersten Hinweisen für das Wackeln mentaler Gesundheit bzw. das mögliche Auftreten einer Erkrankung gesucht. Ich habe gesammelt und gesammelt.

Ich habe selbst viel über mich gelernt. Als meine Oma starb in 2016 war ich sehr traurig und hatte Angst, dass ich wieder depressiv werde. Trauer und Depression sind aber zwei verschiedene Dinge. All diese Erfahrungen, Erkenntnisse und Informationen habe ich in ein System gesteckt, welches ich mein Frühwarnsystem nenne.

Mein Frühwarnsystem.

Ich habe für mich selbst ganz individuelle Marker, an denen ich erkenne, wie es mir grade geht.

Das klingt verrückt, dass sowas nötig ist, oder? Aber ich habe damals die Depression erleben dürfen, weil ich keine Ahnung hatte, wie es mir wirklich geht. Nach außen war immer alles fein, im innen war alles schwarz.

Ich bin seit dieser Erfahrung damals viel offener, mir meiner selbst viel bewusster, ich weine mehr. Wenn es mir nicht gut geht, teile ich das. Ich übe ständig meinen Mitmenschen zu sagen, was ich grade brauche und lade sie ein, dass auch sie das äußern dürfen.

Ich achte auf meinen Schlaf, Erholung ist so wichtig. Ich bewege mich regelmäßig, fordere meinen Körper heraus. Ich achte auf Gedankenkarusselle, ich steige aus, wenns mir zu wild wird. Der Energie-Check, den du in meinem Shop kostenlos findest, ist eine weitere Maßnahme meines Frühwarnsystems.

Und irgendwann war meine Energie einfach leer…

Wie das im Leben so ist, bleibt es ja nicht bei einem großen Thema. Wie sagt man so schön: Der Teufel kackt immer auf den größten Haufen.

Also kamen immer mehr Themen dazu: Aus meiner eigenen Familie, aus meiner Schwiegerfamilie. Aus meiner Vergangenheit.

Und ich funktionierte so schön. Ich war die Starke, die das alles händeln kann, die aber immerhin (im Vergleich zu früher, vor der Depression) immer wieder sagte: Ja puh, das ist schon echt viel grade!

Bis zu dem Moment, indem eine Grenze überschritten wurde. In dem ich in Dinge reingezogen wurde, die nicht meine sind. Indem ich feststellte, dass ich meine eigenen Werte verraten habe und wie heftig Dynamik einfach sein kann. Indem ich sah, erlebte und fühle, was das mit meinem Lebensgefährten macht. Indem ich merkte, dass ich lieber für ihn da sein will, als für alle anderen. Und für mich. Für meine Familie.

Wie verrückt, dass Menschen in einem System Dinge abpuffern, die einfach angeprangert gehören. Und dass ich selbst dazugehör(t)e.

Ich kann nicht verändern, wie Menschen sich verhalten. Aber ich kann verändern, wie ich damit umgehe. Und ich kann entscheiden, wie ich damit umgehe, wenn ich feststelle, dass es mich zu viel Energie kostet, bei Dingen zuzuschauen, die gegen meine Werte und mein Sein sind. Du kannst das auch.

Das Maß ist voll!

Ein Glück geschah das. Denn ich hätte mich sonst nicht abgegrenzt und wäre weiter in dieser anstrengenden Lage geblieben.

Aber das ging nicht mehr, denn einfach ALLES in meinem Frühwarnsystem hat plötzlich geschrien und getobt hat. Ich hatte den Gedanken: Es ist nicht viel, es ist ZUVIEL.

Und teile dieser Dinge, die zu viel sind, sind gar nicht meine.

Ich habe mich auf fremde Baustellen verirrt und da versucht zu helfen, obwohl ich selbst eine habe. Meine Familie, die Verarbeitung des Todesfalles und meine eigene psychische Gesundheit.

Also ziehe ich mich raus aus allem, was nicht MEINS ist. Besinne mich auf die Dinge, die mir und meiner Familie gut tun. Erinnere mich an das, was mir wirklich wichtig ist. Stehe für meine Werte ein, gehe dafür, auch wenn es anstrengend ist.

Ob es einfach ist?

Oh, wie gerne würde ich hier schreiben, dass mir das alles mit einem Fingerschnippen gelingt. Dass es mich einfach alles nur entlastet, ich quietsche-glücklich umhertolle und mir die Sonne aus dem Arsch scheint.

Es ist unglaublich anstrengend. Weil ich das in der Form auch noch nie gemacht habe. Ich bin noch nie „unaufgeregt“ für mich und meine mentale Gesundheit eingestanden. Habe klar gesagt:

  • Meine Energie ist unten, ich möchte bei XYZ nicht mithelfen.
  • Ich brauche grade Raum für mich und möchte nicht dabei sein.
  • Ich will mich damit grade nicht beschäftigen, das raubt mir meine Energie.
  • Ich möchte diese Geschichte nicht hören, die tut mir nicht gut.
  • Ich kann dazu nichts sagen, wenn du dir helfen lassen möchtest, lass dir helfen aber verschwende weder meine Zeit noch meine Energie damit, wenn du nur jammern willst.

Abgrenzung kann sich wie Ausgrenzung anfühlen.

Das ist ok und normal, das fühlt sich trotzdem scheisse an.

Und doch hat es auch gute Seiten: Ich erinnere mich daran, was mir wirklich wichtig ist. Ich suche mir gezielte Auszeiten, in denen es nur um mich geht. Ich denke an mein Business und möchte die Erfahrungen, die ich grade mache, weitergeben. Ich will, dass andere daraus lernen und profitieren können, wenn sie es wollen. Ich mache mehr Sport, tue mehr für mich und meinen Körper und nehme mich grade einfach selbst so richtig wichtig. Pah, das ist auch hier und da ein richtig geiles Gefühl!

Und trotzdem bin ich sehr dankbar.

Zum Einen bin ich sehr dankbar, weil ich weiß, dass es meinem Gehirn und mir einfach gut tut. Und es gibt immer so viele Dinge, für die wir dankbar sein können.

Zum Anderen bin ich sehr dankbar, weil mein Frühwarnsystem funktioniert. Weil ich grade im Austausch mit anderen Coachinnnen das Feedback bekomme, dass ich das grade sehr gesund und gut meistere. Weil ich das Gefühl habe, die Depression integriert zu haben.

Dieser sehr dunkle Teil meines Lebens hilft mir grade, indem er mich daran erinnert, wo ich nicht mehr hin will. Und ich bin bereit, da alles für zu tun. Auch auszuhalten, dass es anstrengend und schwierig ist.

Denn es ist es WERT.

Falls es dir grade ähnlich geht:

Bitte sprich darüber. Teile, was in dir vorgeht. Halte das nicht einfach aus oder dich zurück, du bist es wert, gehört und gesehen zu werden!

Wenn du das Gefühl hast, dass grade alles zu viel ist:

Bitte versuche dich von den Dingen abzugrenzen, die nicht deine sind.
Es ist nicht leicht, aber es ist es wert.

Ich denke bei derartigen Situationen immer ans Laufen lernen: Wir alle konnten bei der Geburt nicht laufen. Irgendwann im Laufe unseres Wachstums wollten wir dann die Erwachsenen nachmachen, und die laufen nun mal auf zwei Beinen. Wir alle sind unzählige male wieder auf den Po gefallen. Sind wackelig gewesen, im ersten Schritt umgefallen. Wir alle haben einfach nicht aufgegeben, weil wir tief durchtränkt waren von der Absicht, laufen zu können. Und wir können jetzt laufen.

Wenn wir als Babys mit dem Durchhaltevermögen eines Erwachsenen ausgestattet wären, könnten wir alle nicht laufen. Wir würden vermutlich bei der ersten Erfahrung, dass es schwer wird, sagen: Das ist mir zu anstrengend. Zu gefährlich. Zu irgendwas. Aber es ist die Mühe wert.

Also falls du grade denkst, dass dir zwar alles zu viel ist, aber du schaffst das schon:

Ja, kann sein du hast Recht. Kann aber auch sein, dass du folgendes noch nie gehört hast:

Du bist nicht hier um zu funktionieren. Du bist hier für eine gute Zeit. Du darfst dir selbst gut tun und du darfst anderen mitteilen, wenn sie dir nicht gut tun. Dein Leben ist unendlich viel wert. Bitte lebe es – nicht nur für die anderen, sondern in erster Linie für dich.

Jede*r braucht mal Hilfe.

Eine Empfehlung, falls du mal drüber sprechen möchtest:

Telefonseelsorge.

Danke fürs Lesen, du Wunder!

Schön, dass es dich gibt ❤️

P.S.: Was kannst du jetzt grade tun, um dir so richtig gut zu tun?